Ab sofort stehen die Ergebnisse des EU-Projekts bereit: Daten zum Gesundheitszustand von Seeleuten sowie digitale Tools rund um die Gesundheit von Seeleuten, die von Reedereien und anderen Interessierten genutzt werden können.
Die Wissenschaftler:innen des ZfAM sammelten im Rahmen von Arbeitspaket 3 (AP 3) Daten über den Gesundheitszustand und die Arbeitsbedingungen von Seeleuten. Die Forscher begleiteten drei Handelsschiffe jeweils etwa zwei Wochen lang auf ihren Fahrten, um sich ein realistisches Bild von der Situation an Bord zu machen:
Während des Aufenthalts der Wissenschaftler:innen auf den Handelsschiffen hatten die Seeleute die Möglichkeit, an verschiedenen medizinischen Untersuchungen teilzunehmen, wie z. B. der Messung von Herzfrequenz und Blutdruck, Überwachung der Aktivitäten, Reaktions- und Müdigkeitstests, Blutanalysen und Polysomnographie (Untersuchung des Schlafs mit einem medizinischen Gerät).
Darüber hinaus wurde eine Reihe von Erhebungen und Beobachtungen durchgeführt, wobei der Schwerpunkt auf Leistungsfähigkeit, Schlafqualität, Ernährung, gesundheitsbezogenem Verhalten sowie Ergonomie am Arbeitsplatz lag. Die gesammelten Daten waren entscheidend für die nachfolgenden Aktivitäten im Rahmen des Projekts.
Gemeinsam mit dem Hamburger Softwareentwickler Hanseaticsoft wurden im Rahmen von Arbeitspaket 2 (AP 2) Module rund um das Gesundheitsmanagement von Seeleuten entwickelt. Die Module wurden in einem zentralen Tool zusammengestellt und helfen sowohl den Reedereien als auch der Crew an Bord der Handelsschiffe bei der Verwaltung von medizinischen Befunden und Patienteninformationen. Unter anderem kann die Verabreichung von Medikamenten an Bord mithilfe eines medizinischen Logbuchs verfolgt oder die Apotheke an Bord verwaltet werden. Dank der Weiterentwicklungen im Projekt können Seeleute nun außerdem selbstständig auf ihre eigenen Krankheits- und Behandlungsfälle zugreifen und alle dazugehörigen Informationen einsehen.
Das System ist als cloud- und webbasierte Lösung verfügbar, auf die jederzeit und von jedem Gerät aus zugegriffen werden kann. Darüber hinaus ist sie auch Offline-Anwendung auf Computern an Bord der Schiffe installiert, so dass Seeleute immer alle Informationen zur Hand haben, auch wenn keine Internetverbindung vorhanden ist.
Alle medizinischen Daten der Besatzung an einem zentralen Ort für den Einsatz an Bord
Zurverfügungstellung aller persönlichen medizinischen Befunde eines Crewmitglieds
Zentraler Pool für das Verwalten von Dateien rund um die Gesundheit an Bord
Zu Beginn des Projekts war es geplant, das E-Learning-Modul innerhalb der bestehenden Software von Hanseaticsoft ("Cloud Fleet Manager") zu implementieren. Inkompatibilitäten führten jedoch dazu, dass das E-Learning vom Cloud Fleet Manager getrennt werden musste.
Arbeitspaket 4 (AP 4) wurde daher umfangreicher als gedacht. Das wissenschaftliche Team des ZfAM entwickelte eine E-Learning-Plattform für die Seeleute auf Basis der Open-Source-Software Moodle mit mehreren gesundheitsbezogenen Unterkategorien. Sie trägt den Namen "crewhealthy".
Die Struktur wurde mit Hilfe eines externen, auf Moodle spezialisierten Dienstleistungsunternehmens konzipiert und umgesetzt. Es ist eines der wichtigsten Projektmodule, weil es auf unterhaltsame Weise genutzt werden kann. Außerdem finden Seeleute auf der E-Learning-Plattform alle Arten von Gesundheitsinformationen. Die Plattform kann leicht an neue Herausforderungen oder Erkenntnisse angepasst werden. Einige der Inhalte sind speziell auf verschiedene Berufsgruppen zugeschnitten, wie z. B. auf das Küchenpersonal oder die nautischen Offiziere.
Lernkurse zu den einzelnen Gesundheitskategorien Fitness, Ernährung, Schlaf, Ergonomie, Stress etc. – mit Videos, Dokumenten und gekennzeichneten Links.
Kurze prägnante Gesundheitsinformation aus den Bereichen Fitness, Ernährung, Schlaf etc. mit aussagekräftigem Bild – z.B. auch zur Darstellung auf Bildschirmen in der Messe.
Wöchentliches Quiz mit jeweils 7 Fragen aus den verschiedenen Gesundheitskategorien, zu denen Wissen ca. 2 Wochen vorher als Tipp des Tages angezeigt wurde.
Angebot unterschiedlicher Materialien zur Nutzung auf dem Schiff, wie z.B. ein Kochbuch mit gesunden Rezepten, speziell ausgerichtet auf Seeleute.
Die Interventionsphase wurde im ersten Quartal 2020 so konzipiert, dass 1-2 Wissenschaftler auf jedem der vier geplanten Untersuchungsschiffe ca. 7-10 Tage verbringen. Eine aufwändige (Rahmen-)Reiseplanung sah vor, wie und wann die Crewmitglieder sowie vor allem die für das Projekt besonders wichtigen Funktionsträger (Kapitän, Gesundheitsoffizier und Koch) angesprochen und eingebunden werden sollten. Vorbereitend waren zielgruppenorientierte und themenbezogene Präsentationen, Broschüren und Informationsmaterialen entwickelt worden, die pandemiebedingt nicht eingesetzt werden konnten.
Der ursprünglich geplante Aufstieg auf das erste Schiff musste im März 2020 pandemiebedingt kurzfristig abgesagt werden. Vielfältige Prüfungen möglicher weiterer Aufstiege und Reiserouten wurden im Verlauf des Jahres 2020 vollzogen, führten jedoch aufgrund der pandemischen Lage nicht zum Erfolg.
Deshalb wurden im Projektteam immer wieder Optionen für eine alternative Ausgestaltung der Intervention an Bord diskutiert und schließlich mit der Entwicklung begonnen. Vom ZfAM wurde eine aus der Ferne betriebene Installation der E-Learning-Plattform „crewhealthy“ verstärkt vorangetrieben. Auch die beiden Reedereien Döhle und Roth sahen und sehen diese Option als wertvolle Alternative. Es wurden daher die für eine Remote-Lösung erforderlichen, unterschiedlichen Umsetzungsschritte mit den IT-Fachleuten der beiden Reedereien konzipiert.
Sportgeräte, Spiegel und Sportmatten wurden von den Reedereien angeschafft und teilweise schon 2020 an Bord geliefert. Es war ursprünglich geplant, dass diese erst aufgebaut werden, wenn die Forschenden des ZfAM ebenfalls vor Ort sind, bzw. sobald die Intervention beginnt. Dies wurde angesichts der andauernden Pandemiesituation für die Schiffe, die bereits beliefert worden waren, gelockert, um eine Abmilderung der schwierigen Situation an Bord zu unterstützen.
Von Oktober 2020 bis April 2021 strandeten ca. 145 kiribatische Seeleute in Hamburg, da sie aufgrund der Pandemie nicht auf ihre südpazifische Heimatinsel zurückkehren konnten. Es wurde allen kiribatischen Seeleuten angeboten, die entwickelte E-Learning-Plattform "crewhealthy" kostenlos zu testen.
Im März und Juni 2021 konnten jeweils zwei Wissenschaftler des ZfAM, unter Einhaltung der damals geltenden Hygienestandards, ein im Hamburger Hafen liegendes Interventionsschiff der Reederei Döhle besuchen, um dort physisch eine Synology zu installieren, auf der die E-Learning Plattform eingerichtet ist. Dabei traten unerwartete technische Schwierigkeiten auf.
Im August und September 2021 fanden drei Bordbesuche von jeweils zwei Wissenschaftlern des ZfAM auf einem kleinen Containerschiff der Reederei Döhle statt. Die E-Learning-Plattform konnte über einen NAS-Server erreichbar gemacht werden. Der Zugriff über das an Bord per W-LAN erreichbare Crewnetzwerk ist möglich und "crewhealthy" von W-LAN-fähigen Endgeräten ansteuerbar. Durch einen Wechsel der IP-Adresse der Seite ist auch ein Zugriff über das administrative Netz möglich, welches nun remote (also von außen durch das ZfAM) erreicht werden kann.
Das Projekt e-healthy ship, mit seinen umfangreichen Arbeitspaketen rund um die Erstellung und Erforschung eines digitalen Gesundheitsmanagements auf Handelsschiffen, ist ein wichtiges Innovationsprojekt zur praktikablen Lösung der Gesundheitsversorgung der Crewmitglieder auf hoher See.
Erhebungen des subjektiven Bedarfs der Seeleute nach Gesundheitsangeboten wurden zu mehreren Zeitpunkten durchgeführt, der tatsächliche Gesundheitszustand eruiert und der Nutzen eines digitalen Gesundheitsmanagements getestet und dargestellt. Dabei stießen die Forschenden auf verschiedene Herausforderungen, die die Interventionsphase des Projekts erheblich verkürzten. Durch die im Jahr 2020 beginnende COVID-19-Pandemie war es dem Projektteam nicht möglich, die Interventionsschiffe persönlich zu besuchen und den Interventionsstart für mehrere Tage an Bord zu begleiten. Dadurch wurden neue Lösungsansätze benötigt, die technischen Schwierigkeiten provozierten. Die Implementierung der Software aus der Ferne gestaltete sich erheblich komplexer, als zuvor angenommen war. Diese Erkenntnis zeigt: Eine einfache Lösung zur Installation einer Gesundheitssoftware, wie der von e-healthy ship, existiert bisher nicht und sollte in Zukunft ein Entwicklungsziel darstellen.
Für Folgeprojekte heißt das, dass vor allem die Kompatibilität eines solchen Programms mit der Software der Handelsschiffe gegeben sein sollte. Eine solche Aufgabe gestaltet sich allerdings hochkomplex, da die Schiffe häufig unterschiedliche technische Voraussetzungen haben, mit denen das elektronische Gesundheitsmanagement kompatibel sein muss.
Zum Anschauen der Abschlussbroschüre (in englischer Sprache) bitte mit der linken Maustaste auf das Bild klicken.
Das Projekt e-healthy ship ist seit dem 31.12.2021 beendet.